Mein Lebenslauf, Kagayaki Miyazaki3. Von der höheren Schule Fifth Higher School bis zum Studium an der Universität Tokio

Im April 1928 schrieb ich mich in der Fifth Higher School (heute Kumamoto Universität) ein. Ich war zwar sehr gut in den naturwissenschaftlichen Disziplinen, wie Mathematik oder Physik, entschied mich aber doch für die Philosophische Fakultät, da mein Interesse am Fach Philosophie überwog.
Ich hatte damals als Jahrgangsbester die Mittelschule absolviert, an der Fifth Higher School sammelten sich aber Hoch- und Höchstbegabte aus dem ganzen Land. Die Niveauunterschiede zwischen den Studenten, die in den Großstädten gelernt hatten, und solchen, die an ländlichen Bildungseinrichtungen Wissen erworben hatten, waren enorm. Besonders ausgeprägt waren diese Unterschiede in den sprachlichen Fächern. Ich war ehrgeizig und ich versuchte, immer besser zu sein. Um meine Fremdsprachenprobleme zu überwinden, lernte ich intensiv Englisch und abonnierte sogar englischsprachige Zeitschriften abonniert und jeden Tag fleißig und diszipliniert darin gelesen, selbstverständlich neben der Vor- und Nachbereitung des Unterrichtsstoffes des Studiums.
Natürlich habe ich nicht nur studiert. Im ersten Studienjahr war ich auch Mitglied des Judo-Clubs. Auch ging ich mit meinen Kameraden manchmal einen Schluck trinken und sang mit ihnen leidenschaftlich laut. Die Fifth Higher School wurde zu der Zeit als Internat betrieben. Hin und wieder schaffte ich es nicht geschafft, vor dem abendlichen Toresschluss zurückzukommen. Dann musste ich über die Schulmauer klettern, um mich in den Schlafsaal zu schleichen.
Eine tiefe Faszination übte die Philosophie des Nishida, des Begründers der modernen japanischen Philosophie, der in Kyoto lehrte, auf mich aus. Mein Philosophielehrer beriet mich: „Du" sagte er, „solltest auf die kaiserliche Universität Kyoto gehen". Zwar war ich daran interessiert, aber nach langem Überlegen beschloss ich dennoch, im dritten Semester des dritten Jahres an die juristische Fakultät der kaiserlichen Universität Tokio zu gehen.
Einmal dort, habe ich Tag für Tag mein Bestes gegeben, fast ohne zu schlafen. Meinen dünn gewordenen Futon (gesteppte Matratze) faltete ich zur Rückenstütze in einer Ecke des Raumes und saß so am Schreibtisch und lernte.
War ich zu müde zum Lernen, fiel ich zurück und nickte ein. Aber wenn ich wieder erwachte, saß ich am Schreibtisch und lernte. So geschah es wieder und wieder, an jedem Tag.
Zu jener Zeit konnte man an rechtswissenschaftlichen Fakultäten ohne Prüfung zugelassen werden, hatte man nur die Oberschule (nach dem alten Bildungssystem) abgeschlossen. Die kaiserliche Universität Tokio war aber die Ausnahme, sie hatte eine Aufnahmeprüfung, in deren Rahmen man einen Aufsatz auf Englisch schreiben und englische Texte ins Japanisch übersetzen musste.
Am entscheidenden Tag der Aufnahmeprüfung hatte ich mich fatalerweise erkältet, ich hatte hohes Fieber von 40 Grad und war sehr geschwächt. Das führe ich auf die Übertreibungen in der Vorbereitung auf die Prüfung und auf die Anstrengungen der ungewohnten Anreise von meiner Heimat aus zurück.

  • Miyazaki als Schüler der Fifth Higher School(hinten unten rechts 1931)

Ich nahm Aspirin-Tabletten ein und schrieb den Test auf unsicheren Beinen taumelnd. Zu meinem Glück gab es nur jeweils eine unbekannte Vokabel im Text des englischen Aufsatzes und in der Übersetzung aus dem Englischen ins Japanische. Damals war ich mir keineswegs sicher, die Prüfung bestanden zu haben. So konnte ich nicht bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse in Tokio bleiben. Nachdem ich einen Bekannten gebeten hatte, mich über das Resultat zu informieren, begab ich mich aufs Land zurück.
In der Nacht vor der Veröffentlichung der Ergebnisse konnte ich nicht schlafen, ich rollte mich hin und her auf dem Futon. Diese Zeit kam mir vor wie ein langes Warten in der Todeszelle. Bis ich dann das Telegramm erhielt, das mich über Erfolg oder nicht informieren sollte. Dieses Telegramm händigte mir der Zusteller auf der Straße aus. Voller Angst öffnete ich es und dort stand: „Hurra, bestanden!". Erst konnte ich es kaum glauben, dann brach sich das Glücksgefühl Bahn: „Ich hatte bestanden!".
Ich schrieb mich letztlich in die juristische Fakultät der kaiserlichen Universität Tokio ein. Dabei interessierte ich mich zunächst gar nicht so sehr für die Jurisdiktion. Dies mag daran liegen, dass ich immer noch vor allem in die indische Philosophie und das Gedankengut Nishidas vertieft war.
Für mich machte es jedoch auch keinen Sinn, mit solcher Kraft und Anstrengung eine Prüfung absolviert zu haben und dies nicht zu nutzen. Also riss ich mich zusammen und begann richtig Jura zu studieren. In den Vorlesungen nahm ich immer in der ersten Reihe Platz, in der vorlesungsfreien Zeit saß ich in der Bibliothek und las alle die juristischen Werke, die ich in die Finger bekommen konnte. Es liegt wohl in meinem Wesen, alles gründlich und konsequent zu machen. Wenn ich viel später beispielsweise Joint Ventures mit mehreren Unternehmen gegründet, neue Technologien eingeführt oder Allianzen geschlossen habe, war ich immer derjenige, der die zugrundeliegenden Verträge genauestens durchgearbeitet hat.
Die intensive Beschäftigung mit dem Recht, weckte mein Interesse daran. Einer meiner Schwerpunkte war die Rechtsphilosophie von Prof. Kenzo Takayanagi wegen der formalen Logik, die meiner mathematischen und physikalischen Ader entgegenkam. In meinem dritten Jahr dachte ich daran, an der Universität zu bleiben und Hochschuldozent zu werden. Eines Tages bekam ich ein Streitgespräch von wissenschaftlichen Assistenten in einem Soba (Buchweizennudel)-Restaurant in der Nähe der Universität mit, das mich sehr nachdenklich zurücklies:
Die kalten Soba in diesem Restaurant schmeckten sehr gut, die Portionen waren aber ziemlich knapp, so dass man mit einer Portion nicht satt werden konnte. Also musste man eine doppelte Portion bestellen. Der Preis dafür betrug 16 Sen. In der unterirdischen Mensa der Universität erhielt man für 15 Sen eine große Schüssel Reis. Man konnte sich jetzt überlegen, ob man den Geschmack der Menge vorzieht. Der Unterschied dabei war gerade einmal ein Sen.
Für sie schien es ein großes Problem zu sein und das waren wissenschaftliche Assistenten, die Kandidaten für den Professorentitel! Menschen in solchen Positionen diskutierten ernsthaft über derartige Kleinigkeiten? War ihr Gehalt so niedrig? Dies war der Zeitpunkt, an dem ich beschloss, ein Leben zu führen, in dem ich mir keine Sorgen mehr um den Unterschied von einem Sen machen musste – ich entschied mich, in der Geschäftswelt Fuß zu fassen.

  • Haupttor der Universität Tokio (1930er Jahre)
  • Student an der Universität Tokio (1934)