Mein Lebenslauf, Kagayaki Miyazaki5. Frisch verheiratet

Geschichte verläuft verwickelt. In meiner Zeit an der Universität wohnte ich in einem Wohnheim der Inoue Scholarship Foundation im Stadtbezirk Bunkyo, Ortsteil Otsuka in Tokio. In der Nähe wohnte die Familie eines bedeutenden Musiklehrers für japanische Sanduhrtrommeln, sogenannten Tsuzumi, die später zum “Immateriellen Kulturgut” erklärt wurde. Ich begegnete den Mitgliedern der Familie gelegentlich auf dem Weg zur oder von der Universität. Anfangs habe ich sie nur gegrüßt, aber mit der Zeit kamen wir ins Gespräch und haben uns angefreundet, manchmal besuchte ich die Familie zuhause und wir kamen ins Plaudern.
Als ich meine Stelle antreten musste, ging ich zu dieser Familie, um über die Versetzung nach Osaka zu berichten. Im Rahmen dieses Gespräches fragt mich die Dame des Hauses, ob ich Interesse habe, ihre Nichte als eine potentielle Heiratskandidatin kennenzulernen. Da meine Lebensplanung damals vorsah, direkt nach Antritt einer Stelle eine Familie zu gründen, ging ich darauf ein und die Nichte wurde mir vorgestellt. Sie gefiel mir auf den ersten Blick. Sie hat einen aufrechten Charakter und sah gesund aus.

  • Hochzeitsfoto

Sumiko hatte gerade erst die Oin Girls' Higher School absolviert, als wir beschlossen, sofort zu heiraten. Es dauerte dennoch ungefähr noch zwei Jahre, bis die Trauung vollzogen wurde. Der Grund war eine schwere Erkrankung meines Bruders, die mich zwang, einen Teil meines Gehaltes dafür aufzuwenden. Während dieser Zeit haben Sumiko und ich uns immer gegenseitig geschrieben.
Die Hochzeit fand am 28. Dezember 1936 in der Zeremoniehalle Gajoen in Meguro statt. Ich war 27 Jahre alt, meine Frau hatte das 20. Lebensjahr vollendet. Unser neues Heim war ein Mietshaus in Mukogawa (Stadt Amagasaki, Präfektur Hyogo) und die Monatsmiete betrug 25 Yen. Die monatlichen Lebenskosten betrugen etwa 20 Yen in dieser Zeit, mit meinem Monatsgehalt von 100 Yen konnten wir also gut leben.
Schon seit meiner Kindheit habe ich Manju, eine Dampfnudel mit süßer, roter Bohnenpaste, geliebt. Als ich frisch verheiratet war, kaufte ich mir Manju immer wieder auf dem Rückweg nach Hause. Ich nahm immer 20 Manjus, zu zwei Sen das Stück, aus einem Süßwarenladen in der Nähe des Bahnhofs Mukogawa mit. Auf dem Weg nach Hause hatte ich oft Hunger, so dass ich auch Anpan, ein süßes Milchbrötchen mit roter Bohnenpaste, ein Stück zu zwei Sen, kaufte und auf der Stelle aß.
Sogar in der Zeit, als ich frisch verheiratet war, kam ich oft sehr spät nach Hause. Dies lag auch daran, dass ich als „Mädchen für alles“ bei Firmenbewirtungen, deren Gastgeber Herr Hori, damals Mitglied des Vorstandes, war, für wirklich alles zuständig war. Im Voraus mussten die Sitzordnung, das Essen, die Auswahl der Geishas mit der Serviceleiterin des Hauses besprochen werden. Mit Beginn des Essens saß ich dann am Ende der Sitzordnung, erhielt ein Glas Alkohol, um in Vertretung des Gastgebers, Herrn Hori, der keinen Alkohol trinken konnte, den Gästen zuzutrinken und zog mich alsbald, nach kurzer Beobachtung der Runde, in einen kleinen Raum in der Nähe des Eingangs zurück.
Die Geishas hatten Mitleid mit mir und brachten mir von Zeit zu Zeit ein Glas Sake, den ich leider nicht trinken durfte, da ich noch Arbeit zu erledigen hatte, sobald das Essen beendet war. Gelegentlich kam auch die Chefin des Hauses vorbei. Sie mahnte mich immer mit Worten wie: „Herr Miyazaki, Sie haben ja noch zu tun, lassen sich nicht verleiten, Sake zu trinken!“.
Irgendwann hörte ich dann eine Stimme, die zum Beispiel rief: “Die Gäste wollen aufbrechen”. Jetzt musste ich zur Haustür eilen, die Schuhe holen und bereitstellen, die Automobile vorfahren lassen und die Kunden verabschieden. Ich achtete immer peinlich genau darauf, keinen Fehler in der Reihenfolge der vorfahrenden Automobile zuzulassen.
Es gab allerdings einmal so einen Vorfall. An einem Abend war ein Firmenanwalt in ein Restaurant in Kita, Osaka eingeladen worden. Zum Ende des Essens kam einfach das von mir reservierte Auto nicht. Ich rief die Chefin und machte Vorhaltungen wegen ihres Fehlers. Als ich dann am nächsten Morgen ins Büro kam wurde ich von meinem Fachbereichsleiter angeschrien mit den Worten: „Du bist gefeuert!“.
Mir war völlig unklar, warum er so wütend war. Bis ich erfuhr, dass der Geschäftsführer die Chefin des Hauses, in dem wir letzten Abend gegessen hatten, gut kannte. Mein Fachbereichsleiter machte sich deshalb Sorgen. Ich sollte mich jetzt bei ihr entschuldigen. Da ich mir keines Unrechts bewusst war, sah ich eine Entschuldigung aber nicht ein.
Dieser Konflikt erreichte schließlich Herrn Hori, den geschäftsführenden Direktor. Auf sein Befragen hin, erklärte ich ihm den Sachverhalt. Er hörte schweigend zu und sagte hinterher nur: „Ich werde mit dem Geschäftsführer sprechen.“ Später habe ich dann gehört, dass der Geschäftsführer nur gelacht habe und entschied, dass die Chefin im Unrecht sei und es gerechtfertigt gewesen sei, dass ich dies moniert habe. Immer wenn so ein Geschäftsessen vorbei war und ich die Kunden und Führungskräfte zur Tür begleitet hatte, ging ich allein in eine vertraute Bar und trank noch eine Flasche Bier für 50 Sen. Das Bier dort schmeckte mir viel besser als der teure Sake im Restaurant. Auf dem Heimweg erwarb ich noch ein Gurkensushi in einem Sushi-Restaurant und aß es oft mit meiner Frau. Meine Frau wartete immer auf mich, ohne zu essen, egal wie spät ich nach Hause kam.
In dieser Zeit gab es keine Sekretariatsabteilung und ich war für die Sekretariatsarbeit verantwortlich. Eine dieser Aufgaben war das Besorgen von Fahrkarten. Es mag ja einfach erscheinen, war aber ziemlich schwierig. Unsere Führungskräfte reisten häufig nach Tokio, sei es tagsüber nach einer Konferenz, sei es abends nach einem Geschäftsessen. Das Problem liegt in der Tatsache begründet, dass Konferenzen und Geschäftsessen sich nicht an Pläne halten.
Ich kaufte erst einmal ein Ticket für die geplante Zeit. Dann kamen die Verzögerungen bei Besprechungen oder Geschäftsessen. So wurde ich gebeten, die Fahrkarte auf eine spätere Zugverbindung umbuchen. Wenn die Bitte um Umbuchung kam, war es oft schon zu spät, da sich kein Sitzplatz mehr buchen lies. Ich buchte deshalb schon vor der Aufforderung proaktiv um, wenn eine Verzögerung abzusehen war, während ich die Konferenzen oder Geschäftsessen beobachtete.
Niemand kann einem so etwas beibringen. Ich musste mich in die Vorstellungswelt meiner Vorgesetzten hineinversetzen, vorhersehen, was andere wollen und insgesamt immer klug agieren. Die Sekretariatsarbeit erfordert „Rigai no ri“ (Vernunft, die über die menschliche Vernunft hinausgeht), also Handlungen, die nicht durch die übliche Art von Vernunft vorausgesehen werden können. Hier habe ich eine prägende Ausbildung erfahren.