Mein Lebenslauf, Kagayaki Miyazaki16. Textilverhandlungen zwischen Japan und den USA

Im August 1968 erhielt ich die Kopie eines Telegramms. Ein Lobbyist, den Asahi Chemical in den USA beschäftigte, schrieb folgenden Text:
„Wenn ich gewählt werde, werden wir die Frage der Einfuhrbeschränkungen für alle Textilprodukte einschließlich Wolle und Kunstfaser mit den betroffenen Ländern so bald wie möglich diskutieren“. Absender des Telegramms war der republikanische Präsidentschaftskandidat Nixon. Adressat des Telegramms war Senator James Strom Thurmond, der in der Textilindustrie im Süden der USA beheimatet war.
Ich war damals Vorsitzender der japanischen Vereinigung für Chemiefasern und als ich das Telegramm las, das dem Wunsch entstammte, die Stimmen der Textilindustrie zu gewinnen, dachte ich sofort: „Wenn Nixon die Wahl gewinnt, haben wir ein Problem.“
Wie erwartet wurde trat Nixon im Januar 1969 sein Amt als Präsident an und handelte sofort. Zunächst schickte er seinen treuen Gefährten Maurice H. Stans, der den Posten des Handelsministers bekleidete, unter anderem nach Japan und Europa, um Verhandlungen über die Frage der Einfuhrbeschränkungen für Textilien zu führen. Sein wichtigstes Ziel war es, den Import von Wolle und Kunstfasern aus Japan zu beschränken.
Die Gespräche zwischen Handelsminister Stans, der Japan im Mai besuchte, sowie dem japanischen Außenminister Kiichi Aichi und unserem Minister für Außenhandel und Industrie, Masayoshi Ohira, scheiterten unter anderem aufgrund einer Resolution des japanischen Parlaments gegen die Einfuhrbeschränkungen. Allerdings gaben die USA an diesem Punkt nicht auf. Erwartungsgemäß ging die Information ein, dass bei dem japanisch-amerikanischen Gipfeltreffen im November desselben Jahres das Textilproblem erörtert werden würde. Dieser Gipfel war ein historisches Treffen, bei dem beschlossen wurde, die Inselgruppe Okinawa an Japan zurückzugeben. Ich reiste in die USA, um den Verlauf der Verhandlungen zu verfolgen.
Die Textilfrage, über die ich mir Sorgen gemacht hatte, war in der gemeinsamen Erklärung von Japan und den USA jedoch gar nicht enthalten, worüber ich insgeheim erleichtert war. Nach dem Gipfeltreffen gab es eine Party bei der japanischen Botschaft in Washington. Selbst dort beruhigte mich Minister Aichi zwei Mal mit den Worten: „Miyazaki-san, wir haben gar nicht über Textilen gesprochen!“
Allerdings sah Premierminister Eisaku Sato, den ich bei der Gelegenheit beobachtete, wirklich schlecht aus. Obwohl er mit der Rückgabe von Okinawa eine große Mission erfüllt hatte, schien es ihm nicht gut zu gehen. Ich fühlte mich beklommen.
Wie erwartet verbreitete sich vor allem in den Medien die Theorie über ein „amerikanisches Geheimabkommen“ und es hieß, dass Sato die Textilindustrie verkauft habe, um Okinawa zurückzugewinnen. Der Name der Inselkette Okinawa bedeutet in etwa „das Tau im offenen Meer“. Sozusagen hatte er also den Faden verkauft, um das Tau zu erwerben. „Also doch…“, dachte ich. Es war auch nicht denkbar, dass sie wirklich gar nicht über das Thema gesprochen hatten.
Nixon zeigte sich beim Gipfeltreffen besorgt über die Textilfrage, so dass Amerika zwei strenge Vorschläge für Beschränkungen vorgelegt hatte. Um die Einschränkungen zu verhindern, wurde ich aktiv und gründete zum Beispiel die Vereinigung der japanischen Textilindustrie, nahm Einfluss auf die Parlamentarier und sprach mit den relevanten Personen beim Außenministerium und dem Ministerium für Außenhandel und Industrie.
Im Sommer 1970 brach ich wegen Überarbeitung zusammen. Doch auch während meines fast einmonatigen Aufenthalts im Krankenhaus verbesserte sich die Situation nicht im Geringsten. Am 24. Oktober desselben Jahres, kurz nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus, fand in Washington erneut ein amerikanisch-japanisches Gipfeltreffen statt. Dieses Mal stand die Textilfrage offiziell auf der Tagesordnung und beide Staats- und Regierungschefs einigten sich darauf, die zwischenstaatlichen Verhandlungen erneut aufzunehmen.
Nach Satos Rückkehr nach Japan traf er sich mit uns, äußerte jedoch nur, dass er gute Beziehungen zu Nixon habe und sprach über nichts Konkretes. Ich war enttäuscht, da ich erwartet hatte, die Wahrheit zu hören.
Wir erklärten zwar, dass wir gegen die Wiederaufnahme der Verhandlungen seien, aber ab dem 9. November verhandelten Japan und Amerika die Sache erneut, vertreten durch den japanischen Botschafter in den USA, Nobuhiko Ushiba, und den Berater des amerikanischen Präsidenten, Peter M. Flanigan. Die Verhandlungen erstreckten sich über 13 Runden, wurden aber letztendlich unterbrochen, da keine Fortschritte zu erkennen waren.
Wir versammelten am 16. November alle Textilunternehmer aus dem ganzen Land, hielten eine allgemeine Kundgebung ab und veranstalteten gleichzeitig einen Protestmarsch. Selbst ich trug ein Stirnband mit einem inspirierenden Slogan und führte die Demonstration an.
Allerdings wurde uns damals seitens der Regierung und der Liberaldemokratischen Partei mehrfach inoffiziell die Forderung zugetragen, wir sollten bitte in irgendeiner Art eine Selbstregulierung einführen, da sonst Risse in den japanisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen entstehen würden.
Ich ließ einen Lobbyisten die Situation in den USA untersuchen. Infolgedessen hatte ich das Gefühl, dass die amerikanische Seite ihre diversen Gesetzesvorschläge für Einfuhrbeschränkungen zurückziehen würde, wenn wir uns auf eine Selbstregulierung einließen. Aus diesem Grund bereitete ich mich drauf vor, dass an diesem Punkt eine Selbstregulierung wohl unvermeidlich war und machte mich an die Arbeit.
Als Reaktion darauf sagte Wilbur D. Mills, Leiter des Committee on Ways and Means, einem Ausschuss des amerikanischen Repräsentantenhauses, man würde eine Selbstregulierung Japans akzeptieren, was bei beiden Seiten die Motivation erhöhte, die Angelegenheit durch eine Selbstregulierung zu regeln.
Ich erstellte in Absprache mit Toyosaburo Taniguchi, Leiter der japanischen Vereinigung der Textilindustrie und heute Ehrenberater bei Toyobo, und seinen Leuten einen Entwurf. Diesen legten wir Mills vorab vor, und nachdem auch die Absichten der USA ausreichend berücksichtigt worden waren, wurde der Entwurf der Selbstregulierung am 8. März 1971 veröffentlicht. Auch die Regierung erklärte im Namen des Chefkabinettssekretärs die Regierungsverhandlungen für beendet und beschloss Hilfsmaßnahmen in einer Gesamthöhe von 48,9 Milliarden Yen. Ich dachte, dass damit endlich die japanisch-amerikanischen Textilverhandlungen beendet waren.
Aber dem war nicht so.
Am 11. März 1971 gab Präsident Nixon als Reaktion auf den heftigen Druck der amerikanischen Textilindustrie, die mit unserem Vorschlag nicht zufrieden war, die Erklärung ab, man könne die Selbstregulierung nicht akzeptieren. Daraufhin schickte er im April den Sondergesandten David M. Kennedy nach Japan.
Danach kam Kennedy im Mai erneut nach Japan und drängte auf den Abschluss der Regierungsverhandlungen. Ende September reiste dann Anthony J. Jurich, Sonderberater des amerikanischen Außenministeriums, nach Japan und teilte Kakuei Tanaka, Minister für Außenhandel und Industrie mit, dass die USA ab dem 15. Oktober Einfuhrbeschränkungen umsetzen würden, sollte Japan kein zwischenstaatliches Abkommen akzeptieren. Dies war sozusagen ein Ultimatum. An diesem Punkt gab Tanaka die Lösung des Konflikts durch eine Selbstregulierung auf und unterzeichnete am 15. Oktober ein zwischenstaatliches Abkommen.
Dies war zumindest der offizielle Verlauf. Hinter den Kulissen allerdings sah es anders aus. Tatsächlich hatte es ein inszeniertes Szenario gegeben, das in einem von einem renommierten amerikanischen Forschungsinstitut vor sechs Jahren herausgegebenen Buch ausführlich beschrieben ist. Später wurde dies durch eine Geschichte untermauert, die ich direkt von Jurich hörte.
Inhalt des Abkommens war ein nach Produkten getrenntes, strenges Regelsystem mit einer Laufzeit von drei Jahren, das für Kunstfasern eine Wachstumsrate von fünf Prozent und für Wolle von einem Prozent vorsah. Die mehr als drei Jahre andauernden japanisch-amerikanischen Textilverhandlungen hatten also ein für uns unbefriedigendes Ende gefunden. Ich fühlte mich leer. Zurückblickend jedoch denke ich, dass wir doch einige wesentliche Vorteile erzielt haben.
Einer davon ist, dass wir der Regierung Kapital in Höhe von 180 Milliarden Yen entlockt haben. Zusätzlich zum Kaufpreis für Textilien etc. in Höhe von 48,9 Milliarden Yen konnten wir zinsgünstige Darlehen in Höhe von 130 Milliarden Yen aufnehmen, so dass die Textilbranche nicht pleiteging. Es war im Gespräch gewesen, ob auch ich für die Abschlussgespräche der Textilverhandlungen in die USA reisen sollte. Wenn ich hingeflogen wäre, dann hätte sich die Sache möglicherweise zu diesem Zeitpunkt gelöst. Aber dann hätte auch die Branche dem zugestimmt und es wäre gar nicht möglich gewesen, Gelder lockerzumachen, geschweige denn 180 Milliarden Yen.
Ein weiterer Effekt war, dass wir aufgrund unserer dreijährigen Bemühungen den Zustrom von billigen Textilprodukten in großen Mengen aus Korea, Taiwan und Hongkong verhindert haben. Denn durch die langen Textilverhandlungen zwischen Japan und den USA verzögerte sich auch der Abschluss von Abkommen zwischen diesen Regionen und den USA und währenddessen konnten Korea, Taiwan und Hongkong die Exporte in die USA verdreifachen, während Japan sie verdoppelte. Wenn wir frühzeitig ein Abkommen unterzeichnet hätten, hätten wir dieses Niveau nicht erreichen können.
Diese Diskussion wurde später kaum geführt, aber sie beinhaltet äußerst wichtige Punkte. Bedenkt man die Entschädigungen und das Verhältnis zu den Nachbarländern, so war zwar das Ergebnis der japanisch-amerikanischen Textilverhandlungen niederschmetternd, aber dennoch profitierte die japanische Textilindustrie davon.
Zwar entlockte Korea den USA 375 Millionen Dollar im Namen der Rüstungsausgaben, aber Japan rettete auf Kosten der Steuerzahler die Textilbranche. In diesem Sinne kann man vielleicht sagen, dass Korea uns überlegen war.
Dennoch frage ich mich, warum die japanischen Politiker nicht so klar und offen mit uns kommunizierten wie die Amerikaner. Hätte man von Anfang an gesagt, dass es für die Rückgabe von Okinawa keinen anderen Weg gab, als die Textilindustrie zu opfern, dass die Politik jedoch ausreichend Hilfen zur Verfügung stellen würde und man daher darum bitte, beim Abschluss des Abkommens zu kooperieren, dann wäre es gar nicht zu dieser Auseinandersetzung gekommen. Letztendlich wurde das Geheimabkommen zu einer Fußfessel.
Ich selbst hatte von einer Person, die die Mitschrift eines bei dem Vieraugengespräch zwischen Sato und Nixon anwesenden Dolmetschers gesehen hatte, vom Inhalt dieser Verhandlungen erfahren. Und auch Jurich hatte mir dies erzählt.
Nach diesen Personen zu urteilen glaube ich, dass es tatsächlich ein Geheimabkommen zwischen Japan und den USA gab. Ein Teil der führenden Textilunternehmen in den USA hatte dies von Anfang an gewusst, so dass sie wohl eine so starke Haltung eingenommen haben. Auch wenn es nicht deutlich in diesem Buch geschrieben steht, ist es ferner denkbar, dass an der Ausarbeitung des Entwurfs für die Regulierungen auch relevante Personen aus dem Umfeld Satos beteiligt waren.

  • Branchenvertreter treffen sich mit Regierungsvertretern bei Japan-US
    Fiber Negotiations, Miyazaki is the second left.
  • Gründungsversammlung der Japan Federation of Textile Industry,
    Miyazaki ist das Zentrum des Fotos, Januar 1970.